Die Chlaus- und andere Lügen

Die Frage ist draussen. Nur, wie lautet die Antwort?

Jedes Jahr um diese Zeit fürchte ich sie. Die Frage aller Fragen. Die eben alles in Frage stellt, was wir bis jetzt unseren Kindern erzählt – manche würden sagen vorgelogen – haben. Dieses Jahr fiel sie ganz unerwartet vor dem Abendessen. «Mami, gäll, de Samichlaus git’s?»

Natürlich war wie immer bei solchen Fragen – Woher kommen Babies? Was ist ein Schwuler? – der liebe Papi nicht in Hörweite. Also musste ich mich alleine behelfen. «Klar gibt’s den!» Ich bin mir nicht sicher, ob mein Sohn die Bedeutung des Nicht-In-Die-Augen-Schauens schont begreift, wenn ich ihn anlüge. Was ich nicht oft tue, wirklich!

Aber wie sag ich meinem sechseinhalbjährigen Kind, dass es den einen Helden, dem er schon mal die Hand schütteln durfte, eigentlich gar nicht gibt? Dass sich da ein erwachsener Mann verkleidet, genauso wie er, wenn er vorgibt Bat-, Spider-, Super- oder sonst ein Man zu sein?
Dass es nicht nur einen Samichlaus gibt, ist heutigen Kindern ja schon lange klar. Oder wie erklären Sie es sich, wenn ganze Schweizer Dörfer im Dezember beim Chlaus-Einzug ein paar Dutzend roter Männer mit spitzem Hut vorbeiziehen sehen? Eben! Also konnten wir uns darauf einigen, dass der Samichlaus offenbar Hilfe braucht. Ist ja logisch, bei all den Kindern!

Und doch war mein Kleiner bis jetzt überzeugt, dass es den Einen gibt, den Wahren, den Chef-Chlaus sozusagen. Der delegiert dann wohl und lässt die anderen Chläuse für sich arbeiten. Wie im richtigen Leben!

Nun sehe ich aber Zweifel in seinem Blick. Er scheint ehrlich gesagt intuitiv zu wissen, dass der Samichlaus Humbug ist und doch möchte er noch daran festhalten. Sind das herzige kindliche Träume oder hat er einfach Angst, es gäbe nächstes Jahr keinen Chlaus-Sack mehr, wenn er zugäbe, dass er Bescheid weiss?

Andererseits hat er letztes Jahr das Christkind gesehen. Echt! Wir haben eine kleine Tradition an Heiligabend, bei der Vater und Sohn (die Tochter war letztes Jahr noch zu klein) sich warm anziehen und raus gehen, das Christkind zu suchen. Wenn sie dann zurückkommen, war es halt schon da und hat ganz viele Geschenke unter den Baum gelegt. Eines davon ist vom Christkind selber, goldig eingepackt.

Mit drei und vier Jahren war er immer etwas enttäuscht, wenn er trotz intensiver Suche das Christkind nicht finden konnte und es dann so knapp verpasst hatte (wir klingeln fieserweise nämlich auch noch mit einem Glöckchen, damit es so aussieht, als wäre es gerade noch da gewesen). Also hat er sich letztes Jahr wohl gedacht, wenn er so tut, als hätte er es gesehen, lohnt sich der ganze Aufwand wenigstens und keiner verkauft ihn für dumm.

Ob er das Christkind dieses Jahr auch gesehen haben will oder ob er mich fragen wird «Gäll Mami, s’Chrischtchind git’s würklich?» steht in den (Bethlehems-)Sternen. Was ich ihm darauf antworten werde, erst recht.

Was sag(t)en Sie Ihren Kindern, als sie die Frage aller Frage stellten? Weiterlügen oder desillusionieren, that is the question!

Ich wünsche Ihnen und Ihren Kindern trotzdem einen schönen Samichlaus-Tag!

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