Sonnengruss und Händchenhalten

 

Yoga und Liebe gehören für religiöse Eltern nicht in die Schule. Also wird dagegen gekämpft.

Eltern mischen sich ein. Wenn Kinder spielen, wenn Grosseltern hüten und wenn Lehrer lehren. Es sind schliesslich unsere Kinder, und wir wollen nur das Beste für sie. Und uns. Doch manchen geht die Einmischung zu weit, vermehrt beklagen Lehrer, dass sich Eltern bisweilen über Sachen aufregen, die im Lehrplan enthalten und somit Pflicht sind. Dabei geht es keinesfalls um die Ausbildung an sich, da sind sich Eltern meist einig, dass die so gut wie nur möglich ausfallen muss. Vielmehr scheint die Religion immer öfter eine zentrale Rolle in der Erziehung zu spielen und das, obwohl sich die meisten nach neusten Erkenntnissen als nicht religiös bezeichnen. Die zahlreichen Turn- und Schwimmlektions-Debatten, bei denen (meist) muslimische Eltern den Besuch der Stunden unterbinden wollten,  zeigen eine Seite des Problems. Vielleicht erinnern Sie sich auch noch an die Geschichte des Lehrers, der bezichtigt wurde, an einer Zürcher Kantonsschule pornographische Literatur zu lehren (u.a. der Klassiker «Frühlingserwachen» von Frank Wedekind) und heute nicht mehr als Lehrer arbeiten darf. Das Problem ist aber längst nicht nur bei Angehörigen der islamischen Religion angesiedelt.


Die jüngsten Beispiele in der Schweiz zeigen, dass auch die Katholiken – die bezeichnenderweise einen erzkonservativen neuen Papst kriegen – auch nicht ohne sind.
So hat das Bundesgericht kürzlich entschieden, Yoga sei keine hinduistische Praxis und gab somit den Eltern Unrecht, die ihr Kind aus dem Kindergarten nehmen wollten, weil sich die Klasse nach der Turnstunde mit Yoga entspannte. Abgesehen davon, dass Yoga bei uns kaum mehr etwas mit der ursprünglichen Lehre zu tun hat (siehe Power-Yoga und So.), so mutet es erst recht seltsam an, dass ein Kind aus «religiösen» Gründen die Klasse wechseln soll, nur weil es dreimal 5 Minuten pro Woche den Sonnengruss übt, um sich zu entspannen. Finde ich. Aber ich bin nicht religiös und habe wohl keine Ahnung, welche negativen Gefühle dies in Eltern auslösen kann, die es sind. Dennoch glaube ich, dass man seine Religion auch unbesorgt leben kann, während der Spross mit seinen Gschpönli «Ohmmm» macht.


Ein anderes Beispiel kann ich ebenso wenig nachvollziehen, weil es Kinder vor der Realität bewahren soll. Vorpubertierende Kinder. Der Stein des Anstosses? Der Roman «Ben liebt Anna» von Peter Härtling, bereits 1979 erschienen und noch immer nicht für alle akzeptabel, wie es scheint. In dem – von den Kindern heisst geliebten – Buch geht es um zwei Neunjährige, die sich näherkommen.  Und von der Klasse verspottet wird. Wie im echten Leben halt. Die «Zeit» beschrieb den Roman damals so: «Peter Härtling versucht hier jenen Bereich der schwer fassbaren Emotionen, der zwischenmenschlichen Schwingungen, des Vertrautseins und Vertrauens zu beschreiben, ohne den Kindern mit platten Allerweltsfloskeln zu kommen. Und dies gelingt ihm vor allem durch präzise Sprache, einfache, genaue Sätze, die Situationen so kennzeichnen, dass der Lehrer und nicht nur Gleichaltrige – diese Liebesgeschichte als die natürlichste Sache der Welt nimmt.»  Ausser, man lebt streng religiös und möchte nicht, dass der Spross weiss, was natürlich ist.

Denn an einer Schule in der Agglomeration Zürich gehen Eltern zurzeit gegen das Lesen dieses Buchs vor, mittels Unterschriftensammlung und Telefonaten an andere Eltern. Ob sie damit Erfolg haben werden, lesen Sie dann hier. Welche Auswirkungen ihr Kampf auf ihre Kinder haben wird auch.

Was meinen Sie? Inwiefern dürfen wir uns aus religiösen Gründen in den Lehrplan einmischen, wenn den Kindern Praktiken/Literatur/Wissen beigebracht werden, die mit unserem Glauben nicht einhergehen? Hat Religion überhaupt noch ihren Platz an Schulen? Gibt es etwas, das Sie verbieten würden?

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